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Unsere Leitlinien...

Marie Juchacz (1879-1956)
Sozialreformerin
Frauenrechtlerin
Gründerin der AWO
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Aktionswoche Schuldnerberatung - „… und plötzlich überschuldet“

„… und plötzlich überschuldet“ heißt der Titel der 23. bundesweiten Aktionswoche Schuldner­be­ratung, der unmissverständlich deutlich macht: Überschuldung kann jede/jeden plötzlich und uner­wartet treffen!

Wie die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, gibt es viele verschiedene Grün­de, warum Menschen in Überschuldungssituationen geraten können. Dazu zählen seit Jahren neben „Trennung, Scheidung, Tod“ (2021: 11,8%) und „Erkrankung, Sucht, Unfall“ (2021: 17,8%) insbesondere die „Arbeitslosigkeit“ (2021: 19,4%) (Schuldneratlas 2021: 60).

Was die Statistiken aber nicht zu zeigen vermögen: Hinter den Prozentzahlen stecken echte Le­bens­­geschichten, individuelle Schicksale, die häufig so vielfältig und komplex sind, dass sie sich nie­mals ausreichend in statistischen Daten ausdrücken ließen. Aus der Praxis wissen wir: Einzelne Gründe und Auslöser treten selten alleine auf, sie sind häufig miteinander verwoben und können dazu führen, dass Menschen unerwartet in eine vermeintlich nicht zu stoppende Überschuldungs­spirale geraten.

 

Dies zeigt auch die folgende Fallbeschreibung.

 Als der 59-jährige Herr K. vor 3 ½ Jahren seinen Job aufgrund eines allgemeinen Stellenabbaus bei seinem Arbeit¬geber verlor, hätte er niemals gedacht, dass er heute bei uns sitzt, weil er einfach nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Gut 25 Jahre hatte er bei einem mittelständischen Unternehmen gearbeitet, ein solides Gehalt bekommen, das für das Leben mit seiner Frau und dem inzwischen 20-jährigen Sohn ausreichte, wenn auch große Sprünge nie möglich waren. Herr K. berichtet, dass er trotz seines Alters eigentlich zuversichtlich war, als Facharbeiter schnell wieder einen Job zu finden. Dann kam Corona. Und auch zu Hause gab es immer mehr Probleme; die anhaltende Arbeitslosigkeit und zunehmenden finanziellen Engpässe belasteten die Ehe. „Irgendwann habe ich dann auch einfach zu viel und zu oft getrunken; ich habe mich einfach wertlos gefühlt.“ Herr K. sagt, dass er verstehen kann, dass seine Frau irgendwann nicht mehr konnte und auszog. Auch finanziell war er nun auf sich alleine gestellt. Als dann auch noch unerwartet Rückzahlungen der Agentur für Arbeit wegen Überzahlung gefordert wurden, konnte Herr K. den laufenden Verpflichtungen endgültig nicht mehr nachkommen. Neben einem noch nicht abbezahlten Ratenkredit für die damalige Einrichtung der Wohnung waren noch viele weitere kleine Forderungen entstanden, die sich zu einer Gesamtverschuldung von fast 16.000 € aufgetürmt hatten.


Inzwischen ist Herr K. seit nunmehr zwei Jahren bei uns in der Beratung. Als er damals zum Erstgespräch hier erschien, hatte sich die Lage deutlich zugespitzt. Der Gerichtsvollzieher war bereits da und nun wurde auch noch das Konto gepfändet. Herr K. berichtete, dass er nicht mal mehr wisse, wie er bis zum Ende des Monats Essen kaufen solle. Zudem war aufgrund steigender Energiepreise inzwischen ein Rückstand beim Stromversorger entstanden und es drohte der Wohnungsverlust. Gerade die Angst vor der Obdachlosigkeit bewegten Herrn K. dazu, den Weg in die Schuldnerberatung nun doch zu wagen, sagt er. „Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ich mal jemand von diesen Menschen sein werde.“


In Fällen wie dem des Herrn K., in denen Stromsperren oder gar der Wohnungsverlust drohen, ist schnelles Handeln besonders wichtig. Es zeigte sich, dass Herr K. bislang vor allem versucht hatte, die Zahlungen des Ratenkredits und der kleineren Forderungen am Laufen zu halten – eine falsche Priorisierung, wie wir sie oft in der Praxis sehen. Auf Anraten stellte Herr K. diese Zahlungen zunächst einmal ein, um stattdessen wieder finanzielle Spielräume zu haben, um Strom- und Mietschulden so schnell wie möglich regeln zu können. Herr K. schilderte sowohl dem Energieversorger als auch seinem Vermieter offen und ehrlich seine derzeitige Situation, klärte die Höhe der Rückstände und es gelang ihm, eine Vereinbarung zu den laufenden Zahlungen sowie eine Abschlagszahlung auf die Rückstände zu vereinbaren. Zwar handelte es sich nur um kleine Ratenzahlungen, aber die Erleichterung über eine Lösung war groß und der Erfolg gaben ihm Mut, auch den Rest wieder in den Griff bekommen zu können.


Herr K. kommt nicht häufig, aber immer noch regelmäßig zu uns. Das gebe ihm Stabilität, sagt er: „Zu wissen, dass ich mit alldem nicht alleine bin, hier immer einen Ansprechpartner habe, das hilft wirklich sehr.“
Wie ein Großteil der überschuldeten Menschen hat sich Herr K. dazu entschieden, vorerst mit den Schulden zu leben. Das eingerichtete Pfändungsschutzkonto, die gemeinsam erarbeitete Haushalts¬planung und die Gewissheit, dass Strom und Miete nicht mehr gefährdet sind, haben den Umgang mit den noch be¬stehenden Schulden enorm erleichtert, sagt er. Einen Job hat er leider noch nicht gefunden, wodurch Vergleiche mit den noch übrigen Gläubigern kaum möglich sind; ein Insolvenzverfahren kommt für ihn momentan nicht in Frage. Herr K. hofft, bald doch wieder einen feste Anstellung zu finden und dann den Rest seiner Schulden begleichen zu können.